Leseprobe : Magic
Es regnet schon den ganzen Tag. PETER und PETRA sitzen im Kinderzimmer und starren aus dem Fenster. "Das hört überhaupt nicht mehr auf!", stellt PETRA fest. PETER malt Männchen an die beschlagene Fensterscheibe und murmelt: "Mir ist so langweilig!" Als PETRA gerade den Vorschlag machen will, den Fernseher einzuschalten, schaut Mama zur Tür herein. Sie macht ein bekümmertes Gesicht und verkündet: "Tut mir Leid. Falls ihr vorhattet, fernzusehen: Der Fernseher funktioniert nicht - er zeigt nur noch buntes Geflacker und sonst nichts! Er muss wohl repariert werden." PETRA verdreht die Augen. Und PETER kickt ein Spielzeugauto quer durchs Zimmer. "Was sollen wir denn machen?", fragt PETRA. "Geht doch auf den Dachboden", schlägt Mama vor. "Da liegt so viel altes Zeug herum, vielleicht findet ihr etwas zum Spielen. Oder zum Verkleiden!" "Verkleiden?", murmelt PETER. "Gar keine schlechte Idee!" Sie stürmen die Treppe zum Dachboden hinauf.
Alles, was unten im Haus keinen Platz gefunden hat, liegt jetzt hier oben. Es riecht ein wenig muffig und zwischen Pappkartons und alten Koffern glitzern Spinnweben.
"Schau mal", sagt PETRA. "Hier finden wir vielleicht Sachen zum Verkleiden." Sie öffnet die Tür des großen Schrankes, den Mama und Papa vor vielen Jahren auf einem Flohmarkt gekauft haben. Die Tür quietscht und der Schrank knarrt. Er ist so groß, dass PETRA nicht an die Stange heranreicht, an der eingestaubte Mäntel, Kleider und Anzüge aufgehängt sind. PETER springt
hoch und zupft an einem Mantel. Da reißt die Stange ab und fällt polternd mit allen Kleidungsstücken herunter. "O verflixt!", ruft PETRA. "Jetzt haben wir den Schrank kaputtgemacht!" Denn mit der Stange ist auch ein Stück der Seitenwand herausgebrochen. "Guck mal", flüstert PETER. "Was ist denn das?" Die Seitenwand ist hohl. Und aus dem Hohlraum schaut ein Stoffzipfel hervor. PETRA zieht an dem Stoff und wühlt weiter in dem Loch. "Da ist noch mehr!", ruft sie schließlich. "Guck mal!" Sie hält in der
einen Hand zwei rote Umhänge, in der anderen ein Buch. PETER greift aufgeregt nach dem Buch und schlägt es auf. Eine glitzernde, leuchtende Staubwolke steigt von den Seiten hoch und macht den Dachboden taghell. "So ein Glück! Endlich!", ruft eine hohe Stimme aus der dunklen Seitenwand des Schrankes. PETER und PETRA erstarren vor Schreck.
Ein kleiner Vogel flattert aus dem Loch heraus. "Habt ihr etwa Angst vor mir?", fragt der Vogel. "Du kannst sprechen?", stottert PETER statt einer Antwort. "Klar! Hörst du doch!", sagt der Vogel und klopft sich den Staub von seinem bunten Gefieder. Auf dem Kopf trägt er einen spitzen Hut mit merkwürdigen Zeichen darauf. "Ihr braucht keine Angst zu haben", meint er. "Alle Vögel können sprechen. Sie tun es allerdings ganz selten. Und nur, wenn es unbedingt nötig ist." Er zieht unter seinem Gefieder eine Taschenuhr hervor, öffnet den Deckel und sieht auf das Zifferblatt. Dann seufzt er und winkt mit seinem kleinen Krallenfuß die Kinder näher zu sich heran. "Ich bin Cyrus, der Wächter des magischen Buches", erklärt der Vogel. "Ich habe hier 500 Jahre lang auf euch gewartet! Das ist eine lange Zeit und jetzt brauche ich erst mal dringend etwas zu essen!" PETRA ist noch immer ganz verdutzt. Aber sie findet ein paar Kekskrümel in der Hosentasche,
die der seltsame Vogel genüsslich verspeist. "Nun zum Wichtigsten!", verkündet Cyrus anschließend. "Ihr müsst mit mir kommen. Es ist höchste Zeit." "Höchste Zeit wofür?", fragt PETRA. "Und wohin?", fügt PETER hinzu. "Legt euch die Umhänge um", antwortet der Vogel. "Dann werdet ihr schon sehen!"